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Gemeinsam kämpfen – ihre Krise nicht auf unserem Rücken!

Selbst nach einem Jahr Pandemie scheint der bürgerlichen Politik wenig einzufallen: Weiterhin hangeln wir uns von einem Lockdown zum nächsten. Dabei werden wir in unserem Privatleben massiv  eingeschränkt. Kunst, Kultur und Gastronomie können mit den lächerlichen
Hilfsprogrammen nur schwer überleben. Solo-Selbstständige und kleine Gewerbetreibende stehen vor den Trümmern ihrer Existenzen, viele
Arbeiter*innen werden mit minimalsten Kurzarbeitsgeldern abgespeist.
Nicht angetastet wird hingegen Alles, was dem deutschen Staat nützt:
Großkonzerne und Exportindustrie machen munter weiter. Auch wenn sie
Staatshilfen beziehen, schütten sie trotzdem Dividenden aus und bauen
unter dem Vorwand der Pandemie Stellen ab.
Nach wie vor müssen also Lohnabhängige in den Großraumbüros,
Produktionsstätten und Logistikhallen antanzen – Ansteckungen sind
vorprogrammiert. Nach wie vor sterben in Alten- und Pflegeheimen viele
Menschen, trotz Schutzkonzepten. Die Menschen dort werden reihenweise
Opfer von Sparmaßnahmen und Privatisierungen. Pflegekräfte werden mit
Fallpauschalen, miesen Personalschlüsseln und Arbeitshetze bis zum
Umfallen komplett allein gelassen.
Wie reagieren die Politiker*innen?

Auch nach fast einem Jahr heißt es,
dass wir individuell bei der Pandemiebekämpfung versagen würden,
weswegen man uns mit Sanktionen von oben herab erziehen müsste.

Söder allen voran gibt den strengen Pädagogen der Nation: Ausgangssperren und Kontaktverbote – das Arbeiten natürlich immer ausgenommen. Denn “die
Wirtschaft” muss laufen. Im Klartext: Das deutsche Kapital muss laufen.
Die Politik bittet höchstens verhalten darum, bitte doch ein bisschen
mehr Homeoffice zu ermöglichen.
Etliche Kultureinrichtungen, Kneipen und kleine Läden haben massive
existenzielle Sorgen, die sich weder Rheinmetall noch Lufthansa machen
müssen. Diese werden vom Staat mit Milliarden durch die Krise getragen.
Denn klar ist: Das deutsche Kapital will international konkurrenzfähig
bleiben. Dafür müssen die einen jetzt schuften bis zum Umfallen und die
anderen werden als überflüssiger Kostenfaktor auf die Straße gesetzt.
Und so zahlen wir Lohnabhängigen jetzt schon die Kosten für diese Krise
– aber das wird nicht alles gewesen sein: Kürzungen, Streichungen,
Privatisierungen, den Gürtel enger schnallen. All das wird uns blühen,
wenn wir uns nicht dagegen wehren!

Pandemie trifft auf kapitalistische Krise

Die Pandemiepolitik trifft uns am schwersten: uns, die Lohnabhängigen.
Die große Mehrheit der Menschen, die für ihr Überleben im Kapitalismus
arbeiten gehen muss oder davon abhängig ist, dass sie von anderen
Arbeitenden unterstützt werden. Wir, die zwar die immensen Gewinne der
Konzerne schaffen, selbst aber keine Millionen auf dem Konto haben, weil
wir keine Immobilien, Erbschaften, Konzerne oder Ähnliches besitzen.
Gegen den Willen der Chef*innen nicht im Büro oder an der Kasse
erscheinen, weil man Angst vor der Ansteckung hat? Diese Entscheidung
können wir nicht treffen, wenn wir bei Entlassung Angst haben müssen,
dass unser Geld nicht mehr für die Miete und das Essen reicht.
Gab es im ersten Lockdown wenigstens noch die Möglichkeit, die Miete zu
stunden, wenn man wegen Corona seinen Job verloren oder massive Einbußen
durch Kurzarbeit hat, ist im zweiten Lockdown davon keine Rede mehr. Von
60% des Gehalts sollen wir also 100% Miete zahlen. Im Zweifelsfall kann
man dann ganz großzügig “Grundsicherung” beantragen – also das Elend
Hartz IV, das sozialdemokratische Projekt der Verarmung und
Prekarisierung. Minijobs sind gerade die ersten die wegfallen, von 60%
eines mies bezahlten Teilzeitjobs kann kein Mensch leben – viele schon
nicht bei Vollzeit.
Konzernen allerdings wird mit riesigen Summen unter die Arme gegriffen.
Milliarden, für die wir als Lohnabhängige schuften gehen. Während wir
also mit jeder Konsequenz der Maßnahmen allein gelassen werden, sollen
wir auch noch für diejenigen zahlen, die an unserer Arbeit mehr als
genug verdienen? Standard im Kapitalismus: Gewinne bleiben bei einigen
wenigen, Verluste werden auf uns alle abgewälzt.

Das Virus trifft alle gleich? Das Virus vielleicht, die Maßnahmen nicht…
(Und manche sogar noch mehr.)

Frauen haben im Kapitalismus eh schon die schlechteren Karten gezogen,
in der jetzigen Pandemiepolitik zeigt sich das Ausmaß noch einmal in
erschreckender Weise. Frauen haben nach wie vor den Löwenanteil an
Haus-, Pflege- und Erziehungsarbeit. Wo sich Frauen kleine Freiräume
erkämpft haben, brechen diese z.B. durch die Schließung von Schulen und
Kitas plötzlich wieder weg. Nun kommt noch die Rolle der Lehrer*in für
die Kinder im „Homeschooling“ dazu.
Diese Dauerbelastung muss oft in viel zu kleinen Wohnungen ausgehalten
werden. Gepaart mit existenziellen Sorgen, weil der Familie vielleicht
ein 450€ Job weggefallen ist, 40% eines Einkommens wegen Kurzarbeit oder
gleich beides, ergibt das eine gefährliche und explosive Mischung im
Patriarchat. Die Frage ist nicht, ob die häusliche Gewalt gegen Frauen
und Kinder zugenommen hat, sondern wie viel. Sicher ist schon jetzt: Sie
ist gestiegen!
Schlimm genug, wenn das eigene Zuhause eben nicht Sicherheit und Rückzug
bedeutet. Was aber, wenn man keines hat? Obdachlose Menschen sind meist
besonders gefährdet: weil sie Risikogruppen angehören und weil das Leben
auf der Straße körperliche und psychische Folgen hinterlässt. Daher
wollen viele jetzt noch weniger als sonst in die überfüllten
Notschlafstellen.
Draußen jedoch droht Repression an jeder Ecke. Die Ausgangssperre hat
das noch verschärft. Bußgelder als Strafe für Menschen, denen der Markt
eine Wohnung vorenthält? Dieses System ist an Zynismus wohl kaum zu
überbieten. Und doch droht eine noch größere Gefahr: In Hamburg sind
bereits in den ersten zwei Wochen des neuen Jahres fast genau so viele
Obdachlose in der Kälte gestorben, wie im gesamten Letzten!
Die zunehmende und systematische Isolation von Geflüchteten zeigt
ebenfalls ihre tragische Wirkung: Zahlreiche Massenunterkünfte hangeln
sich von einer Quarantäne in die nächste, weil die Menschen sich in
dieser räumlichen Enge gar nicht schützen können. Die Dauerquarantäne
heißt auf der einen Seite, dass die Menschen mehr denn je faktisch
eingesperrt werden, folglich Jobs verlieren und damit
Bleibeperspektiven. Auf der anderen Seite können sie aber auch kaum nach
außen hin artikulieren, wie beschissen ihre Lage ist.
Und das alles, während Hotels und Ferienwohnungen leer stehen!
Dezentrale Unterbringung ist, wie schon vor der Pandemie von
Geflüchteten und Aktivist*innen gefordert, gerade in Zeiten von Corona
notwendig!

Solidarisch kämpfen statt kreuz und quer denken

Ungeachtet dessen schreien selbsternannte Querdenker*innen in
neoliberaler Manier, dass alles wieder öffnen müsse und eh jeder für
sich selbst verantwortlich sei. Ihre Fokussierung auf den
Mund-Nasen-Schutz, der neben der Impfung als “Hauptproblem” gesehen
wird, scheint obsessiv. Keine Kritik an profitorientierten
Pharmaunternehmen und Klinikgesellschaften, keine Kritik an den
Milliardengeschenken für Konzerne – stattdessen ein Schulterschluss
zwischen Rechten, Neoliberalen und anderen Individualist*innen. Das ist
keine Krisenstrategie, die für uns in Frage kommt. Es ist doch eben die
kollektive Solidarität, die für uns als Lohnabhängige so wichtig ist.
Wie schwer wir an den Kosten dieser Krise tragen, hängt davon ab, wie
gut wir es schaffen, unsere Kämpfe zu organisieren und zusammen zu
bringen. Deswegen unterstützen wir ganz praktisch die outgesourcten
Krankenhausangestellten, welche hier in Nürnberg für eine tarifliche
Bezahlung kämpfen. Wir helfen uns gegenseitig als Nachbar*innen – sei es
beim Einkaufen oder beim Kampf gegen die Mieterhöhung. Wir kämpfen
gemeinsam im Betrieb, wenn dieser nun Stellen abbauen will, um sich auf
unseren Rücken “gesund zu sanieren”. Wir sind aufmerksam, wenn wir
meinen, dass Gewalt in Familien stattfindet und bieten Hilfe an.
Und wir haben vor allem keine Lust mehr auf die Krümel, die uns
zugeworfen werden, obwohl wir hier den ganzen Laden schmeißen! Applaus
reicht weder den Krankenpfleger*innen, noch den Verkäufer*innen oder
irgendwem anders. Von Applaus lässt sich schließlich kein Leben
bestreiten. Doch auch ein wenig mehr Geld reicht uns nicht. Es ist eine
Illusion, die Pandemie im Kapitalismus “sozialverträglich” zu
kontrollieren und ebenso ist es eine Illusion, den Kapitalismus selber
“sozialverträglich” zu gestalten.
Heute stellt sich uns deshalb mehr denn je die Frage nach unserer
Zukunft: Wollen wir zulassen, dass der kapitalistische Wachstums- und
Profitzwang mit seinem Raubbau an den Ökosystemen der Verbreitung von
immer neuen Viren und Pandemien Tür und Tor öffnet? Wollen wir weiterhin
zuschauen, wie unsere Mieten steigen und unsere Stadtteile zu
Investitionsräumen und Spekulationsobjekten verkommen? Wollen wir trotz
Pandemie und Verarmung schulterzuckend weitermachen wie bisher – oder
wollen wir uns widersetzen?

Wir haben uns entschieden, nicht mehr nur zuzusehen, deshalb haben wir
das Bündnis “Gemeinsam kämpfen – Ihre Krise nicht auf unserem Rücken”
gegründet. Gemeinsam wollen wir gegen kapitalistische Krisenpolitik und
für eine solidarische antikapitalistische Gesellschaftsordnung aktiv
werden. Es liegt an uns, die Krise als Chance zu nutzen, soziale
Bewegungen weiter zu entwickeln und Forderungen durchzusetzen. Darüber
hinaus geht es uns um einen radikalen Wandel, weg vom kapitalistischen
Wirtschaften, hin zu einer solidarischen Gesellschaft, die von der
gesellschaftlichen Basis getragen wird. Kommt zu unseren Aktionen,
unterstützt das Bündnis und werdet selbst aktiv!