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Bericht

Interview mit dem Bündnis Gemeinsam Kämpfen erschienen in der Tageszeitung Junge Welt

Nürnberg: Hunderte trotz Eiseskälte auf der Straße gegen Krieg und Abwälzung der Krisenkosten auf Lohnabhängige. Ein Gespräch mit Konrad Wieser Sprecher des Bündnis „Gemeinsam Kämpfen“  Das Interview erschien am 19.12.2022 in der Jungen Welt

Gegen die aktuell hohen Preissteigerungen sind am Sonnabend mehrere hundert Menschen dem Aufruf Ihres Bündnisses gefolgt und in Nürnberg trotz klirrender Kälte unter dem Motto »Gemeinsam Kämpfen – Krieg & Krise nicht auf unserem Rücken« auf die Straße gegangen. Welche Rolle spielt der Krieg in der Ukraine bei der Explosion der Preise?

Der Krieg spielt eine doppelte Rolle: Einerseits ist er Folge des Imperialismus. Die Machtblöcke kämpfen gegeneinander um die Aufteilung der Welt. In der Ukraine geht es gerade konkret darum, welcher Machtblock – Russland oder der Westen, also USA, EU und ganz besonders die BRD – seinen Anspruch auf Südosteuropa durchsetzen kann. Andererseits führen die Kriegszerstörungen, die Sanktionen und der Wirtschaftskrieg zu Nachschubproblemen und Verknappung. Die treiben ihrerseits die Preise in die Höhe.

Im Demonstrationsaufruf benennt Ihr Bündnis klar, dass der Krieg nicht allein für die Inflation verantwortlich ist. Sie sei Ausdruck einer generellen Krise des kapitalistischen Weltsystems.

Der Krieg ist neben seinen Folgen vor allem ein praktischer Vorwand für Großkonzerne, ihre Profite nochmals ordentlich in die Höhe zu treiben. Das hat man unter anderem an den Öl- und Gaspreisen gut sehen können. Sie sind noch vor Beschluss von gegen Russland gerichteter Wirtschaftssanktionen oder einem tatsächlich vorhandenen Gasmangel krass angestiegen.

Kann man aus Ihrer Sicht auch gegen die Abwälzung der sozialen Kosten auf den Rücken der Arbeiterklasse demonstrieren, ohne den verschärften imperialistischen Machtkampf der entstehenden multilateralen Weltordnung zu benennen?

Nein, ganz und gar nicht. Die Bundesrepublik mischt ja fleißig mit im Wirtschaftskrieg und setzt Sanktionen durch. Darunter leiden nicht die russischen Herrschenden, sondern dort wie hier die breite Mehrheit. Außerdem unternimmt die Regierung in Berlin unter dem Schlagwort »Zeitenwende« auch noch das größte Aufrüstungsprogramm der jüngeren deutschen Geschichte, um neben der wirtschaftlichen auch die militärische Führungsmacht in Europa zu werden. Wenn man den Krieg ausklammert, wenn man nicht gegen Aufrüstung und Imperialismus aktiv wird, dann kann man die Situation nicht verstehen und schon gar nicht ändern.

Ihr Krisenbündnis versucht seit Monaten, den Zusammenhang zwischen Aufrüstung, Militarisierung und zunehmender sozialer Verelendung aufzuzeigen. Sie haben sich am jährlichen Ostermarsch beteiligt und zahlreiche Veranstaltungen zum Thema Krieg und Aufrüstung organisiert. Damit setzen Sie einen Kontrast zu anderen Protestaufrufen. Wie ist die Situation in Nürnberg? Wer thematisiert dort die offensichtlich zutage tretenden Widersprüche?

In Nürnberg gab es unter dem Motto »#nichtallein – Initiative soziale Sicherheit« zwei Demonstrationen aus dem Umkreis der lokalen Linkspartei. Da wurde der Krieg kaum behandelt – bis auf eine völlig kontextlos gestellte und nicht weiter vertiefte Forderung von 100 Milliarden für Soziales statt für Rüstung. Die Demonstrationen waren dann – obwohl große Verbände wie der Deutsche Mieterbund dazu aufgerufen hatten – auch wenig erfolgreich. Das zeigt für uns ganz klar, dass es nicht nur politisch falsch ist, den Krieg auszuklammern. Man kann sich dann auch keine größere Mobilisierung erhoffen.

Gilt das umgekehrt auch für Ihre Demonstration von diesem Sonnabend?

Das konnten wir tatsächlich direkt beobachten. Trotz Vorweihnachtsstress und Minusgraden sind mit uns Hunderte Menschen auf die Straße gegangen, um deutlich zu machen: Ob wir auch diese Krise zahlen, ist genauso wenig ausgemacht wie die Frage, ob wir uns als Lohnabhängige in ihren Kriegen aufeinanderhetzen lassen. Gemeinsam kämpfen heißt für uns: streiken für höhere Löhne, auf der Straße gegen Krieg protestieren und sich auch mit Nachbarinnen und Nachbarn vernetzen, kurz: sich organisieren.